Kirche

ST. ANNEN-KIRCHENGEMEINDE BERKUM
Ein Streifzug durch 875 Jahre Geschichte

Ja, unsere Glocken läuten:

Zum Gebet und zur Arbeit; sie teilen den Tag ein: Zeit der Stille, Zeit der Arbeit.
Unsere Glocken läuten: Sie begleiten das Leben, sind Sinnbild des menschlichen Weges.
Unsere Glocken läuten: Der Mensch wird geboren, getauft; die Glocken begleiten die Kindheit, bedeuten Heimat und Zuhause.
Unsere Glocken läuten: Höhepunkt des Lebens, Hochzeit, Feiertag, Freudentag; ein Weg geht zu Ende, ein Leben ist vorbei.
Ein Mensch wird begraben.
Unsere Glocken läuten: Anfang und Ende, Trauer und Freude, Abend und Morgen, Alltag und Festtag.
Unsere Glocken läuten: Sagen Freude und Frieden allen Menschen. Künden von der Sehnsucht der Menschen und von Gottes Verheißung.


Seit 1496 läuten die Berkumer Glocken
„Anna und Kattrina“ und begleiten die
Gemeinde in Freud und Leid. Bis zur
Errichtung des Turmes im Jahre 1838
waren sie im Dachgebälk der
Kirche aufgehängt.

 

Von welcher Seite wir uns auch immer Berkum nähern mögen, sichtbar über die Dächer alter und neuer Häuser ragt der kleine Turm des Gotteshauses empor. Wenn wir nun in diesem Jahr den 875. Geburtstag des Ortes festlich begehen, so ist im Blick auf die ehrwürdige Kirche ein Stück Heimat- und zugleich auch ein Stück Weltgeschichte enthalten.
Etwas abseits der Bundesstrasse 65, hinter einer mäßigen Bodenwelle, dem Posteschenberg, liegt das kleine einstige Bauerndorf Berkum. Es lässt nichts auf eine planmäßige Siedlung schließen, vielmehr muss angenommen werden, dass durch langsame Bodengewinnung aus Moor und Heide das Dorf im Laufe der Zeit zu mehreren Hofstellen erwuchs. So ist noch heute von sechs Vollspännerhöfen, einer Halbspännerstelle und zwei Kotsassstellen die Rede, einschließlich des Edelhofes, dem Wohnsitz der früheren Herren von Berkum.
Eine alte Pergamentakte aus dem Jahre 1134 und eine zweite Urkunde von 1136 enthalten die ersten Erwähnungen von Berkum. Es handelt sich dabei um Landschenkungen der Pfalzgräfin Gertrud, die dem Marien- und späteren Aegidienkloster zu Braunschweig „zehn Hufen Land mit den Leuten beiderlei Geschlechts in Berkum“ übereignete. Kaiser Lothar III. von Süpplingenburg bestätigte am Schluß die Schenkung mit Handzeichen und Siegel. Von 1244 an bis ins 14. Jahrhundert hinein erwarb das Zisternienserkloster in Wienhausen Landbesitz in Berkum. Noch heute steht Berkum mit seinem umfangreichen Landbesitz an führender Stelle in der Landeskirche.



Um 1702: Alter Erbhof der Familie Kolshorn in Berkum, Nr. 7 (1975 abgerissen)

Kirchlich gehörte Berkum zunächst zur Mutterkirche in Groß Solschen. Im Jahre 1185 trennte sich Schwicheldt mit Berkum und Handorf von Groß Solschen und um 1250 Berkum mit Handorf von Schwicheldt. Der Reihe nach wurden für die sogenannten Tochtergemeinden eigene Pfarrstellen errichtet und die bisherigen Kapellen in Kirchen umgewandelt. 1302 löste sich Handorf von Berkum.

Die Kirche in Berkum wurde bereits 1297 in einer Urkunde erwähnt. Es ist ein kleiner einschiffiger Bruchsteinbau mit halbrunder Aspis aus der 2. Hälfte des 13. Jahrhunderts. Die Kirche gehörte viele Jahrhunderte zum Herzogtum Celle, der Ort selbst jedoch zum Stift Hildesheim mit dem Bischof als Landesherrn. So kam es oft zu Streitigkeiten: „Pastor Wichmann wurde 1618 ungestümlich  nach  Peine   verschleppt und im allerbösesten Gefängnis untergebracht, weil er den Amtsdienern, die einen Versteckten suchten, den Zutritt zur Kirche verweigerte.“
Zur Zeit der Gegenreformation wurde vom Vogt in Schwicheldt ein Mönch eingesetzt; die Teilnahme an den Gottesdiensten wurde unter Gewaltandrohung erzwungen. Pastor Wichmann musste den Ort 1629 trotz des Eingreifens des Herzogs verlassen.

Am 20.Juni 1632 kam eine verwilderte Horde Reiter ins Dorf. Sie nahmen, was an Pferden, Schafen und Schweinen noch vorhanden war und legten an mehreren Stellen „bei starkem Winde“ Feuer. Zwölf Häuser brannten ab — vielmehr können kaum vorhanden gewesen sein. Auch das Pfarrhaus, das der Mönch bewohnte, ging in Flammen auf. Acht Personen starben im Ort und in der Nachbarschaft.
Pastor Wehrkamp beklagt sich am 15. Februar 1747 bei seinem Superintendenten: „Bislang haben wir hier von dem Fastnachtssaufen wenig gewusst, außer, daß die Hausväter wohl in aller Stille eine Tonne Broihan abgetrunken, dabei sie einen neuen Bauermeister gewählt, welches jährlich um diese Zeit geschieht. Diesmal aber haben sich die Knechte und Jungens (Kleinknechte) nach dem Exempel derer zum Rosenthal, welche vorige Weihnacht 4 Tage mit Saufen zugebracht, auch gelüsten lassen, bis in den dritten Tag ebensolche Schwelgerei zu begehen, ohngeachtet ich am vorigen Sonntage sehr ernstlich und beweglich vor dergleichen bösen Werken warnte.“

Der Freiherr Hans von Hammerstein in Equord (das Patronat gelangte bereits 1679 an den Celler Großvogt von Hammerstein, Besitzer des Gutes Equord im Hoheitsbereich des Hildesheimer Bischofs) hatte die Patenschaft bei dem zweiten Sohn von Pastor Ludwig Brackebusch in Mehrum übernommen und ihm dabei, falls er Geistlicher werden würde, die Patronatsstelle in Berkum in Aussicht gestellt. So ist es dann auch   gekommen.   



Innenansicht der St.-Annen-Kirche in Berkum mit Kanzel und Altar um 1970



Pastor Ahrens vor dem Gemälde „Anna Selbdritt“ von Anne Miosge-Schlimper, das 1996 seinen Platz in der Kirche fand. Die heilige Anna beschützt und segnet ihre Tochter, die Jungfrau Maria, und das Jesuskind.

Hans Brackebusch war von 1837 bis 1880 Pastor in Berkum und somit der letzte in Berkum wohnende Inhaber der Pfarrstelle.
Nur etwa 110 Einwohner hatte Berkum vor dem 2. Weltkrieg. Viele Heimatvertriebene fanden in Berkum eine neue Bleibe. So stieg die Einwohnerzahl auf 275. Heute wohnen im Ort etwa 350 Gemeindemitglieder. Eine neue und gute Dorfgemeinschaft hat sich gebildet.
Von 1975 bis 1998 hatte ich die Betreuung der Gemeinde übernommen, zunächst als Prädikant und seit 1978 als 21. Pastor. Viel ist in dieser Zeit geschehen in der Gemeinde. Die Kirche und das Pfarrhaus von 1791 wurden instandgesetzt, die Pfarrscheune abgerissen und Garagen und Parkplätze errichtet.

Das ehemalige Schulgebäude (die Schule wurde 1914 geschlossen) wurde veräußert. Schon 1542 heißt es: „De Koster hefft jarliks 8 Himpen roggen und so viel brodt und worsten als de Pastor“. Aber auch die drei Säulen „Gottesdienst – Gemeindearbeit -Seelsorge“ wurden aktiviert.

Sicher gäbe es noch vieles zu Berkum zu   berichten, auch auf kirchlichem Gebiet, aber da verweise ich auf das in Kürze erscheinende Gemeindebuch.
Vieles ist vergangen, einiges findet sich auf den Seiten der Kirchenbücher, aber bestehen wird, was in Gottesbüchern steht: „Freut euch, dass eure Namen im Himmel geschrieben sind“. Und dazu hat der Dienst der langen Reihe von Seelsorgern gegolten, unsere Mütter und Väter haben die Gotteshäuser mit viel Liebe und großen Opfern gebaut und unsere Mitarbeiter haben sich für das kirchliche Leben in Berkum eingesetzt, ein Jeder auf seine Art, damit wir uns zu dieser Freude rufen lassen.

Text : Horst Ahrens, P.i.R., Klein Ilsede